Astrid Witt präsentiert hier, wie sie mit ihrem Arab dazu kam,
Lektionen wie Kompliment oder Steigen einzuüben (vielen Dank für diesen
Artikel!) : Wie
wir zu den Zirkuslektionen kamen... Was
macht man mit einem dreijährigen Kraftprotz, wenn man reiterlich noch warten
will, aber der Jungspund sich langweilt und Beschäftigung sucht? Man nimmt ihn
als Handpferd, joggt, übt
desensibilisierende Dinge wie Labyrinth, Plane
und Klappersack, geht schon mal hier und da zu einem Trail an der Hand, dass er mal Zuhause raus kommt.... Ja, und warum dann nicht anfangen mit Zirkustricks, oder wie das heißt? Gesagt, getan und Leckerli zwischen den Beinen geben geübt. Hat er dann ja auch brav und begeistert mitgemacht, aber so fürchterlich verdreht...gerade ging gar nicht und puuhhh, ca. 400 kg mit der Hand abstützen ins Kompliment.... Oder etwas was annähernd so aussah
2001
-Was war ich stolz! Aus heutiger Sicht
schauderhaft! Der Hals verdreht, der Rücken krumm, Das Stützbein schief. Ohne
Hand am Bein ging aber dann auch nichts und gerader wurde es auch nicht.
Sackgasse.... Erst mal
abwarten bis mir was einfällt und mal Nachlesen, gibt ja so viele Bücher...immerhin
blieb er dank Leckeliegabe unten, aber er gierte und geierte immer mehr nach den
Dingern und das weit geöffnete Maul sah auch nicht gerade vertrauenerweckend
aus für meine Finger. Mit Möhren
wurde es nicht eben besser: Das Abbeißen förderte das gierige Krokodilmaul
eher. Also entschloss ich mich
doch einen Kurs zu besuchen um es „richtig“ zu lernen, dafür machte
es uns zu viel Spaß und ich hänge an meinen Fingern. Nur „eben schnell“
das Kompliment richtig lernen, schließlich konnten wir das ja auch schon
fast... weit gefehlt! Es war der Irrtum schlechthin. Dazu war Shaman ja auch das erste Mal über Nacht
weg von Zuhause...wo war nur mein guterzogenes immer liebes Pferd??? Was zuhause
an Erziehung immer funktioniert hatte war in der neuen Umgebung
wie weggeblasen und pnh damals für uns noch ein Fremdwort. Vom ordentlichen Führen über manierliches
Futtern von Belohnungen ohne zu „krokodilen“, zu genau überlegten und
gezeigten Dehn- und Streckübungen, dazu z.B. gezieltes Überwinden einer Stange
Schritt für Schritt vorwärts und rückwärts, Parken am Punkt und auf der
Linie...vieles war neu oder anderes. Halten mit einer Stange unter dem Bauch,
huch? Oder zwischen den Hinterbeinen? Wir lernten die Beinlonge kennen, als Stütze
und eben nicht als Zwangsmittel. Und so wurde es denn auch etwas mit dem richtigen Kompliment: Mittlerweile zeigt Shaman das Kompliment überall
frei, auf beiden Seiten, am Punkt
und auf der Linie die ich vorgebe. Die Oberlinie ist dabei vom Schweif bis zum
Kopf gerade, nichts ist mehr verdreht. Der Rücken ist schön gewölbt und das
Gewicht ruht auf dem senkrechten Stützbein, während das Streckbein gerade
bleibt, ohne überstreckt zu werden.
Er kniet sich auch auf Wunsch hin und wechselt vom Kompliment zum Knien. Auch das Liegen zeigt er frei und lässt sich problemlos überall zu der gewünschten Seite hin ablegen.
Winter
2006 Ich habe
dann angefangen das Sitzen mit ihm zu üben. Leider fehlt mir noch ein Bild wie er jetzt
inzwischen schön gerade sitzt aber ich habe ein Bild, aus der Lernphase: Die
letzen 30 cm bis zum Geradesitzen klappen aber inzwischen auch. Zuletzt kam das Steigen: Da hatte er alle zum Boden führenden
Lektionen schon perfekt gelernt und war mit 7 ½ Jahren auch schon erwachsen
genug. Trotzdem sollte man sich es sehr genau überlegen, ob das Pferd diese Übung
wirklich lernen soll. Sie ist sehr imposant aber genauso beängstigend, wenn das
Steigen sich gegen den Menschen richtet, statt für ihn ausgeführt zu werden.
Solange nicht zweifelsfrei die Rangfolge Mensch-Pferd geklärt ist sollte man
sie meiden. Und auch dann nur mit kompetenter Hilfe einstudieren, damit es beim
Spaß bleibt.
Rudernde Vorderfüße sollten beim
zirzensischen Steigen stets unterbleiben. Shaman hat genauso viel Spaß wie ich bei den
Zirkuslektionen und sie sind für ihn das „Bonbon“ bei der Arbeit. Für ihn
sind Zirkuslektionen Belohnung und Entspannung zugleich. Und wie sehr
unterscheiden sich die erarbeiteten Zirkuslektionen von bloßen Tricks! Diese
machen auch –aber eben auch nur –Spaß, während Zirkuslektionen Gymnastik
sind. Die gymnastisierende Wirkung kann man am Pferd und
seiner Entwicklung sehen, an der
Oberlinie des Halses, die sich schön wölbt, an der Kraft und Gelenkigkeit der
Hinterhand, die vermehrt Last aufnimmt, sowie an der zunehmenden
Versammlungsbereitschaft. Wie auch durch gutes Reiten wird das Pferd durch
gute Gymnastik am Boden schöner. Nie hat Shaman versucht beim Schmied oder Tierarzt
oder während der Dressurarbeit eine der Lektionen ungefragt anzubieten. Nur
dann ist eine Lektion auch wirklich gelernt! Auch Zirkustricks just for fun sollten nie
unaufgefordert erfolgen. Apportieren, Teppich ausrollen, Fußball spielen oder
die Vorderbeine kreuzen -so vieles macht uns einfach Spaß und weckt die
Bereitschaft zur Mitarbeit und Mitdenken beim Pferd. Inzwischen
arbeiten wir viel frei, denn so gefällt er mir am besten.
Winter 2006
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