- Kopf oder
„ZaHL“? -
Hübsche
Araber-Köpfchen oder
strenge Zuchtkriterien,
artgerechte
Haltung
und Wertlegung auf Leistung?
Die
Diskussionen währen schon so lange: Züchten auf Schönheit oder auf
Leistung? Kann ein Araber gegen Warmblutkonkurrenz bestehen? Sind Araber
gute Reitpferde?
Ja!
– sagt Frau Ursula Hentschel, die eine kleine Araberzucht im Norden
von Hamburg, in einem kleinen Dorf Namens Hemdingen, betreibt. Und sie hält
sich nicht mit Diskutieren auf – ihre Pferde, ob Stuten oder Wallache,
gehen die Stutenleistungsprüfung (StLP) im Haupt- und Landgestüt
Neustadt/Dosse in Konkurrenz zu Warmblütern mit. Alle vier
teilgenommenen Nachzuchtpferde haben bestanden und das bei einer
Durchschnittsnote von 6,55 Punkten. Laut dem Geschäftsführer und
Zuchtleiter des
Araberverbandes (VZAP), Herrn Klaus G.Beste, soll in Zukunft bei einer Hengstleistungsprüfung (HLP) ein
Pferd bestanden haben, wenn es 6 Punkte erreicht hat. Also herzlichen Glückwunsch,
alle vier hätten die Prüfung bestanden!
|
Frau Hentschel inmitten ihrer Pferde.
|
|
Doch
wie kommt eine Araberzüchterin dazu, diese hohen Kosten und den Aufwand
auf sich zu nehmen und ihre Pferde prüfen zu lassen?
Ein
Blick auf die Entstehung des Gestütes AV-Zucht Hentschel könnte Aufklärung
bringen... |
Ursula
Hentschel wurde auf ihre erste Zuchtstute per Zeitungsannonce aufmerksam.
Auf dem Doroteenhof der Familie Tiemann war die 8 Monate alte
Marwan-Tochter Navaada zu verkaufen . Das Stütchen gefiel ihr und auch,
dass der Papa gekört, leistungsgeprüft und erfolgreich im Distanzsport
war. Da Navaada sich als Zuchtstute beweisen sollte, waren diese Attribute
mit ausschlaggebend. Navaada
wurde mit 8 Punkten beim Araberverband eingetragen und wuchs zu einer
schicken, zuverlässigen aber rasant zu reitenden Araberin heran, eben
eine typische Marwan. |
Navaada |
Mardschan
|
Zunächst blieb
Frau Hentschel Familie Tiemann treu – von Mardschan (von Saher aus der
Magda) fielen zwei Fohlen: 1989 Meral und 1990 El Rashid. Mardschan war
selbstredend gekört und leistungsgeprüft, er legte sogar seine Zug-Prüfung
ab.
Meral wurde die ersten Jahre geritten, nahm mit Erfolg an klineren
Turnieren teil und ging dann in die Zucht, Rashid ging ebenfalls unter dem
Sattel. Er stand auch kurze Zeit zum Verkauf, doch dann erlag seine Züchterin
seinem unverwechselbaren Mardschan-Charme und
–gesicht. Kein Verkauf mehr! Rashid gehört nun mit Haut und Haaren Frau
Hentschel, er wurde der Nachfolger ihres Reitwallachs Fagal (aus der Zucht
el Shams in Delingsdorf) und ist nun umsorgt, geliebt und absolut unverkäuflich.
So kann das kommen... Und übrigens, sein verschmitztes Babyface hat er
heute noch. |
Leistung
zu Leistung, sagte sich Ursula Hentschel und startete eine
Besichtigungstour durch Schleswig-Holstein. Dabei fand sie einen
geeigneten Navaada-Gatten. Hadban (von Tobrok aus der Felfela), ein reiner
Ägypter, wurde gerade von Frau Schumacher in der Abteilung geritten. In
Tschechien als „Super elita“ Hengst bei der Leistungsprüfung
eingestuft, mit einer Durchschnittsnote von 9 und einer Traumcharakter-
und -temperamentnote von 10 überzeugte er und kam zur Bedeckung zu
Navaada nach Hause. Er residierte dort im benachbarten Trakehnergestüt
und zog so manchen bewundernden Blick auf sich. Ein Jahr später (1992)
wurde Helina geboren und zeigte schnell, dass sie den ausgeglichenen
Charakter ihres Vaters geerbt hatte. Ihre Stutenleistungsprüfung 1996
absolvierte sie mit einer Durchschnittsnote von 6,15, wobei sie mit einer Interieurnote von
9,33 brillierte! Auf der Norddeutschen Beständeschau in
Schneverdingen konnte Helina 16,7 Punkte
für sich verbuchen – Leistung und Schönheit sind also doch vereinbar. |
Helina |
Djamil |
Weiter
ging Frau Hentschels Trip durch Schleswig-Holstein. Ihre Vorselektion war
eine bestandene Hengstleistungsprüfung mit mindestens 6 Punkten, gute
Grundgangarten, ein lieber Charakter und auch arabischer Typ sollte
vorhanden sein. Sabek (von Salon aus der Aisha) erfüllte alle diese
Voraussetzungen. Ursula Hentschel geriet ins Schwärmen, denn Sabek hatte seine
HLP mit 107 Punkten absolviert, zudem hatte er eine 119 beim Spring-Index
erhalten. Der Hengst hatte über die Mutter Blutanschluss zu Ghazal und Hadban Enzahi und seine
Nachzucht konnte im Typ überzeugen. Diesmal reiste Navaada zum Auserwählten
und 1995 erblickte Naomi das Licht der Welt. Ihre StLP verlief zum großen
Züchterstolz von Frau Hentschel sehr erfolgreich: Durchschnittsnote 6,92
(minus 0,07 Altersabzug)! Und – wen wundert es noch - Temperament,
Charakter, Leistungsbereitschaft 8,33; Springveranlagung 7,67 Punkte. |
An
einen eigenen Deckhengst hatte Frau Hentschel nie gedacht, wozu auch,
stand ihr doch ganz Deutschland offen. Aber erstens kommt es anders und
zweitens als man denkt. Es begann mit einem Besuch bei Familie Pütz, bei
dem Gorin angeguckt werden sollte, letztendlich gab es dann jedoch ein
Fohlen von Gomel, der durch Frischsperma seine Pflicht erfüllte. Gomel
von Peleng aus der Miest. Rennbahngeprüft in Tersk, 54 Dressurprüfungen
bis Klasse S, davon 44 mal gewonnen, 7 Championtitel im Schauwesen, 6
Championtitel für seine Rittigkeit.
Helina
war die Glückliche, die 1998 ihr erstes Fohlen von Gomel bekam: El Garay.
Und wie die Mutter so der Sohn: Auf einer Beständeschau erhielt Garay
exakt die gleiche Wertnote wie sie – 16,7 Punkte. Beizeiten gelegt,
absolvierte er später die StLP und schnitt mit 6,48 (exkl. 0,08 Punkte Altersabzug) erfolgreich ab. |
El Garay |
Ibn Blue Hassan |
Der gute Kontakt
zu Familie Pütz blieb und so kam einige Zeit später der
folgenschwere Anruf von Frau Pütz. Sie wolle ihre Zucht umstellen und der
18jährige Ibn Blue Hassan (von Blue Hassan aus der Ragiwe)
sei „über“, aber er solle nur in wirklich gute Hände, sonst würde
er bleiben wo er sei. Ein eigener Hengst? Die Ereignisse überschlugen sich,
Frau Hentschel sagte zu und im nächsten Moment musste sie für eine Hüftoperation
ins Krankenhaus. Ihr Mann und ein paar Freunde bauten eilends einen Stall für
den Neuzugang und als Frau Hentschel aus dem Krankenhaus kam, musste sie
einen Hengst, der jahrelang nur Box, Halle und Decken an der Hand kannte,
komplett umerziehen. Schwierig war es, aber Ibn (so von allen genannt) blühte
auf. Im Sommer Tag und Nacht mit Stute und Fohlen auf die Weide, im Winter
tagsüber aufs Paddock und nachts Seite an Seite mit der Liebsten in
getrennten Boxen. |
Ibn
ist zu einem Musterhengst geworden, lieb und ruhig und im Sommer manchmal
etwas „aus den Fugen“ geratend. Aber ehrlich – was kann ein Hengst
sich Schöneres wünschen?
Aus
der Verbindung Meral /Ibn fielen bis jetzt 1 Hengst und 3 Stutfohlen:
Gamila (2000), Sameera al Gamila (2002) und Saida Bint Meral (2003). Allen
drei Stuten (sie gleichen sich wie ein Ei dem anderen) steht natürlich
der Weg nach Neustadt/Dosse zur Leitungsprüfung bevor, für Gamila ist es
nächstes Jahr soweit. Der Hengst ist inzwischen ein Wallach, hört auf
den Namen Djamil und hat seine StLP dieses Jahr mit 6,63 Punkten
geschafft. Übrigens ist die StLPauch bei den Wallachen in den Papieren. |
Rashid in einer Schaunummer |
Beduinenschaunummer mit den
Hentschel-Arabern |
El
Garay und Djamil sind inzwischen unter Wert verkauft worden, weil sie in
Reiterhände und in gute
Haltung gelangten. Platz vor Preis – hier wird dieser Spruch wahr. Zum
Wohle des Pferdes. Zur Freude der neuen Besitzer. Für die Zukunft des
reitbaren Arabers.
Doch
kein Züchter kann sich dieses Verhalten auf Dauer leisten. Aufzucht ist
teuer, Decksprünge kosten Geld und die Ausbildung und Leistungsprüfung
in Neustadt / Dosse ist auch nicht umsonst. Doch wo sind die Käufer, die
bereit sind, in heutigen Zeiten einen angemessenen Preis für einen guten
Araber zu bezahlen? Alle möchten einen gut gehaltenen, optimal
aufgezogenen, gerittenen, ausgebildeten und leistungsgeprüften Araber.
Wenn wir diesen wirklich haben wollen, müssen wir auch dessen Wert
respektieren. Es wäre schade, wenn Züchter mit Idealismus und
Enthusiasmus irgendwann ihre Zucht einstellen, weil sie nicht mehr tragbar
ist. |
Und
wie steht Frau Hentschel dazu? Die Ausbildung und Leistungsprüfung in
Neustadt/ Dosse ist eine gute Sache, sagt sie, es gibt dort eine
Rundumservice, alles wird fachmännisch abgewickelt, die Leute dort
leisten vernünftige Arbeit, gute Pflege und machen einen traditionellen
Beritt, der den Pferden die Zeit lässt, die sie brauchen. Ausbildung von
Grund auf eben.
Dass ihre Pferde alle die Leistungsprüfung mitgehen, ist wichtig für
sie. Leistung ist wichtig. Beweise sind wichtig. Und die Konkurrenz zu
Warmblutpferden in den Prüfungen, denn die Pferde sollen sich messen - an
der richtigen Messlatte.
Das
Image des Arabers muss aufgebaut werden. Stur und dickköpfig, wie ich nun
einmal bin, meint sie, stelle ich mich genau dahin, wo es am schwierigsten
ist. Sie möchte genau das züchten, was gute Freizeitreiter brauchen: Von
guten Ausbildern gerittene Pferde, die sich gegen Warmblüter behaupten können.
Aber kein Züchter kann unter den heutigen Umständen noch gute Pferde züchten
– ein Jammer! |
El Garay |
Pferd |
Helina
(Stute) |
Naomi
(Stute) |
El Garay
(Wallach) |
Djamil
(Wallach) |
|
Abstammung
|
von Hadban
aus der Navaada (v.Marwan) |
von Sabek
aus der Navaada (v.Marwan) |
von Gomel
aus der Helina (v.Hadban) |
von Ibn Blue Hassan
aus der Meral (v.Mardschan) |
Durchschnitts-
noten |
Prüfungsjahr |
1996 |
2000 |
2002 |
2003 |
|
Durchschnittsnote |
6,15 |
6,85 |
6,4 |
6,63 |
6,51 |
Charakter,
Temperament, Leistungsbereitschaft |
9,33 |
8,33 |
8 |
8,33 |
8,50 |
Schritt |
5 |
7 |
5 |
6,75 |
5,94 |
Trab |
5,33 |
6,5 |
6,18 |
6,75 |
6,19 |
Galopp |
5,33 |
6 |
6,75 |
6 |
6,02 |
Freispringen |
6,41 |
7,5 |
7,08 |
6 |
6,75 |
Rittigkeit |
5,5 |
6,5 |
6,25 |
6,5 |
6,19 |
Altersabzug |
|
0,07 |
0,08 |
|
|
Durchschnittsnote
ohne Altersabzug |
6,15 |
6,92 |
6,48 |
6,63 |
6,55 |
Die Ergebnisse der
Stutenleistungsprüfungen in Neustadt / Dosse
Hoffen
wir, dass es nicht dazu kommt. Hoffen wir, dass das Beispiel von Frau
Hentschel Früchte trägt und die Teilnahme von Stuten und Wallachen an
Leistungsprüfungen keine Einzelfälle bleiben, sondern Schule machen. Übrigens
ist die StLP auch bei den Wallachen in den Papieren eingetragen – nach
dem Wissen des Vorsitzenden des Araberverbandes die einzigen
Araberwallache in Deutschland, die eine solche Prüfung vorweisen können.
Najm (von Ibn Blue Hassan aus der Naomi), der jüngste Wallach bei Frau
Hentschel wird in zwei Jahren seine Prüfung ablegen, auch er wird, darauf
darf getrost gewettet werden, in Reiterhände gelangen – hoffentlich
findet der junge Mann dann kompetente Hände, die wissen, welcher Schatz
ihnen da anvertraut wird.
Katja Czeczota
[ Home ] [ Nach oben ] [ 15.07.00, Fohlenschau ] [ 01.06.00, IGMAL ] [ 11.06.00, Verkausschau ] [ 18.06.00, Schneverdingen ] [ 15.07.00, Fohlenschau ] [ 23.07.00, Velgen ] [ Hagenbeck 2001 ] [ Kritik Neustadt 2001 ] [ Hansepferd 2002 ] [ Ringreiten 2002 ] [ Sommerfest 2002 ] [ Turnier Camelot 2002 ] [ Wanderritt 2002 ] [ Lezziran Wanderritt 2002 ] [ Magdas Sohn ] [ Kopf oder ZaHL? ] [ Distanzritt 2003 ] [ Grabau Turnier 2003 ] [ NeustadtDosse 2003 ] [ Marbach 2004 ] [ Hansepferd 2004 ] [ Hengstschau Kameke 2004 ] [ Himmelfahrt Kameke 2004 ] [ Altmark Wanderritt 2004 ] [ PRE-Zucht Fronz 2004 ] [ Himmelfahrt Kameke 2005 - Teil 1 ] [ Himmelfahrt Kameke 2005 - Teil 2 ] [ Hansepferd 2006 ] [ Mardschan-Nachruf ] [ Jabe auf der Nordpferd 2007 ] [ Klein Flottbek 2010 ] [ Breitensportturnier 2010 ] [ Friesenpferdetag 2010 ]
|